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Golden Bell

Golden Bell, Bell-Fruit, 1976
Hersteller: Bell-Fruit
Baujahr: 1976
BAZN: 357
Währung: 30 Pfennig
optische Animation mit LED: Nein
akustische Animation mit MP3: Nein
EZ (elektronische Zulassung): Nein
Beschreibung:

 

Vorstellung des Gerätes in der Rubrik "Klassiker und Raritäten"
in der Fachzeitschrift "AutomatenMarkt" im Dezember 2013

 



 

 

 

Hierbei handelt es sich um das zweite Gerät des englischen Herstellers Bell-Fruit für den deutschen Markt. Das Spielsystem ist identisch mit dem des Vorgängers Lucky-Bell. Entsprechend der im Jahr 1976 eingeführten Spielpreiserhöhung von 20 Pf auf 30 Pf wurden allerdings andere Gewinnbeträge auf den Spielscheiben verteilt und der Höchstgewinn von 2 DM auf 3 DM angehoben. Die Spieldauer betrug nach wie vor 15 Sekunden. Auf den Höchstgewinn von 3 DM je Spiel wird links oben auf der Frontscheibe neben den abgebildeten Münzsorten deutlich sichtbar hingewiesen.
 

 

002-spielplan

003-gewinnplan

004-muenzspeicher

Angenehm einfach: Die Spielanleitung
ist kurz und knapp gehalten.

 

 

Die Spielscheiben tragen die Gewinnbeträge 60 Pf, 90 Pf, 1,50 DM, 2,- DM und 3,- DM, sowie die Hauptgewinnsymbole Schatzkiste, Hufeisen und Kleeblatt. Die mittlere Spielscheibe ist zusätzlich noch mit einem Feld mit drei Groschen so wie mit einem Feld mit einer Glocke (anstelle des Gewinnbetrages 1,50 DM) versehen. Gewonnen wird bei Übereinstimmung von drei Gewinnbeträgen, wobei der entsprechende Betrag aufgezählt wird. Eine Ausnahme stellt der 1,50 DM-Gewinn dar: Dieser wird durch die Kombination 1,50 - Glocke - 1,50 erreicht. Darüber hinaus werden 30 Pf gewonnen, wenn die mittlere Spielscheibe das Feld mit den drei Groschen anzeigt. Das Auftreten eines 1,50 DM-Gewinnes lässt zusätzlich eine der sechs Glocken am unteren Rand der Frontscheibe aufleuchten. Sind alle sechs Glocken erleuchtet, wird der Hauptgewinn in Höhe von 20 Sonderspielen gegeben. Zeigen die drei Spielscheiben drei Schatztruhen an, so werden 3,- DM plus 10 Sonderspiele gegeben. Drei Kleeblätter oder drei Hufeisen bringen ebenfalls einen 3,- DM-Gewinn plus eine Sonderspielserie, hier aber nur fünf Spiele.

 

 

005-sonderspiele

Ähnlich wie beim Hellomat Big Seven ist der Höchstgewinn hier nur durch Jackpotauslösung
erreichbar. Beim Golden Bell sind dies allerdings gerade einmal 20 Sonderspiele.

 

In den Sonderspielen läuft nur die mittlere Spielscheibe. Folglich ist auch nur diese für den Spielausgang von Relevanz. Dadurch erneut auftretende Sonderspiel-Kombinationen werden nicht gewertet. Von den zehn Feldern der mittleren Spielscheibe sind fünf gestreift. Die gestreiften Felder zahlen in den Sonderspielen wie üblich 3,- DM. Anderweitig auftretende Gewinnkombinationen haben in den Sonderspielen keine Gültigkeit und es werden auch keine weiteren Glockenfelder bei Auftreten der Kombination 1,50 – Glocke – 1,50 eingeschaltet. Die Sonderspiele werden über die zwei Lichtleisten auf der linken und rechten Seitenscheibe angezeigt. Auf den Lichtleisten sind die Felder 1, 6 und 11 gelb hinterlegt. Wird in einem Sonderspiel mit gelb leuchtendem Zahlenfeld die Glocke von der mittleren Spielscheibe angezeigt, so werden zehn weitere Sonderspiele gegeben. Der Umstand, dass in den Sonderspielen nur die mittlere Spielscheibe läuft, könnte möglicherweise der Grund dafür sein, dass sie im Gegensatz zu Geräten aus deutscher Produktion VOR und nicht hinter den äußeren Spielscheiben angeordnet ist und damit während des Laufes mehr zur Geltung kommt.

 

Es gibt nur 10 mögliche Halte-Positionen je Spielscheibe. Das steigert die Attraktivität des Gerätes im Vergleich zu Geräten mit 12er-Spielscheiben-Einteilung, da es bei der 10er-Einteilung rein mathematisch eine geringere Anzahl von möglichen Scheibenstellungen gibt (1000 anstelle von 1728) und somit jede mögliche Komination (darunter logischerweise auch die Serien-Kombinationen) deutlich häufiger angezeigt wird.

 

Die Steuerung dieses Gerätes erfolgt noch elektromechanisch. Interessant ist, dass auch die Displays für den Münzspeicher durch Schrittschaltwerke angesteuert werden.

 

 

007-display

Ebenfalls ähnlich wie bei den Hellomat-Geräten werden die Displays des Golden Bell
- mangels CPU - durch Schrittschaltwerke angesteuert. Hier allerdings schon wesentlich
fortschrittlicher mit Niederspannuns-LED (Sieben-Segment-Anzeigen).

Schrittschaltwerke angesteuert.

Der Golden Bell ist nicht nur ein bildhübsches Gerät, sondern bedingt durch seine extreme Seltenheit auch von enorm hoher Sammelwürdigkeit. Was allerdings nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass an diesem Gerät nur ein maximaler Sonderspielestand von 20 Spielen erreicht werden kann. Ohne großes Glück durch mehrfach auftretende Verlängerungen in einer laufenden Serie waren an diesem Gerät kaum Gewinne im dreistelligen DM-Bereich zu erwarten. Wahrscheinlich war die Grenze zum Einleiten der automatischen Auszahlung des Münzspeichers mit Überschreiten von nur 40,- DM auf dem Display genau deswegen so niedrig angesetzt. Zwar erschienen die 5er-, 10er- und 20er-Serien gemessen an Geldspielern anderer Fabrikate aus jener Zeit relativ häufig, aber im Kampf um die Gunst der Spieler hingen die Trauben für den Golden Bell eindeutig zu hoch. Während am Golden-Bell in einem Spiel maximal 20 Sonderspiele gewonnen werden konnten, lockten zur selben Zeit namhafte Boliden wie Rotomat Herold 30 von Wulff, Exqusit Juwel von NSM-Löwen, Big Seven von Hellomat und Eldorado 100 von Bergmann schon mit 50er und 100er-Serien.

Entsprechend der ganz offensichtlichen mangelnden Akzeptanz dieses Gerätes am Markt dürfte die Auflagenzahl des Golden Bell besonders niedrig gewesen sein. Der in diesem Artikel abgebildete Golden Bell jedenfalls hat die laufende Produktionsnummer 106.

Für den technisch interessierten Leser gibt es im folgenden noch ein paar entsprechende Informationen:

006-birnchen50v

Kurios: Die Lampen für die Annahmebereitschaft der
verschiedenen Münzsorten werden mit 50 Volt angesteuert.

007-birnchenfassung

Nochmal Kurios: Die Birnchen werden in die Fassungen

nicht hineingesteckt, sondern hineingeschraubt.

008-techniktuer

In der Mitte des Bildes die - ähnlich wie bei einer Waschmaschine - im Kunststoff-Gehäuse
eingeschlossene Programmwalze. Justagearbeiten sind hier ohne größeren Aufwand nicht möglich.
Unten rechts ist ein Teil des Netzteils mit Lüfter und großem Kondensator zu sehen.

009-techniktuerseitlich

Hier kann man gut erkennen, wie viel Elektronik neben der Elektromechnik im Gerät
untergebracht ist (insbesondere auf den vier hintereinander liegendenden Platinen in
der Bildmitte). Unten ist der auf dem Netzteil sitzende Trafo zu sehen.

010-relais

Darüber hinaus befinden sich zahlreiche Relais im Gerät...

011-antrieb

Der Antrieb der Spielscheiben ähnelt sehr stark dem der Rotamint-Geräte der 70er (mit
Rutschkupplungen und Bremsmagneten). Die Gewinnabfage hingegen erfolgt wie bei den
Hellomat- und Bergmanngräten über Reed-Kontakte  (dort allerdings erst ab etwa 1977).

Abschließend noch ein paar Informationen zur Münzverarbeitung: Angenommen werden alle Münzen ab 10 Pf ausfwärts. Es gibt zwei Münzverarbeitungseinheiten. Rechts im Gerät befindet sich die Annahme für 10 Pf, 50 Pf und 1 DM, links werden 2 DM und 5 DM angenommen. Für die Auszahlung werden die Münzsorten 10 Pf, 1 DM und 5 DM herangezogen. Für 2 DM-Stücke at das Gerät keine Stapelröhre, sie fallen - genau so wie die 50 Pf-Stücke - direkt in den Kassenbehälter an der Rückwand. Die Annahmebereitschaft größerer Münzsorten setzt einen ausreichenden Vorrat an kleineren Münzsorten in den Stapelröhren voraus. GGf. wird die Annahme größerer Münzsorten bei zu niedrigem Münzpegelstand der kleineren Münzsorten durch Münzsperren verhindert. Dementsprechend erlöschen dann die Annahmelampen der entsprechenden Münzsorten oben auf der Frontscheibe.

 

001-goldenbell

 

Fazit zum Golden Bell: Einzigartig...

Erweiterung des Artikels durch eine Simulation von Elias Schwerdtfeger (vom 16.11.2009):

 

 

Simulation Golden Bell

 

Wenn doch nur jede Kiste so leicht zu simulieren wäre! Das Spielsystem ist sehr überschaubar...

 

 

 

Simulierte Strategien

 

Ich habe die folgenden Strategien simuliert:

 

Keine Spielbeeinflussung

Die Kiste wird einfach laufen gelassen...

 

Symbole stehen lassen
Der Spieler ist zu blöd, den Scheibentext zu lesen und kapiert das mit den Glöckchen nicht, spielt aber auf die hübschen Symbole, um Direktserien zu erzielen.

 

1,50 stehen lassen
Der Spieler hat den Scheibentext gelesen und sich den Automaten genauer angeschaut. Dabei ist ihm aufgefallen, dass der Gewinn 1,50 DM ja gar nicht selten ist und dass 1,50 auch immer mit den Hufeisen und Kleeblättern erscheint, und da hat er eben vor allem auf die 1,50 gespielt und die Schatzkiste — so fett sie auch glitzerte — einfach weggedrückt.

 

Auf 10er-Serie spielen
Eine vorsätzlich schlechte Strategie, um mal zu schauen, wie sich so eine Spielweise auswirkt. Nur die Schatztruhe wird stehengelassen, alles andere weg.

 

Alle Symbole wegdrücken
Die Deppenstrategie eines Spielers, der das Konzept der Serie nicht verstanden hat und wie eine lobotomierte Laborratte alles wegdrückt, was nicht nach einem Geldbetrag aussieht. Bei diesem auf häufige Serien zentrierten Gerät dürfte das die schlechteste denkbare Strategie sein. Okay, die 1,50 mit der 3 DM müsste er auch noch wegdrücken, damit es richtig mies wird, aber so viel konzentrierte Blödheit ist sehr schwer vorstellbar.

Für jede dieser Stategien habe ich 2.500.000 Spiele simulieren lassen, was den armen Rechner hier ganz hübsch zum Stöhnen gebracht hat. Soll er doch mal etwas tun, der Rechner, der!

 

Rohe Ausgabe des Simulationslaufes

 

 

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Schnellanalyse

 

Das Ergebnis des Simulationslaufes ist doch etwas unerwartet. Ich hätte eine recht hohe Wette darauf gehalten, dass das Spiel auf den 1,50 DM-Gewinn mit deutlichem Abstand die beste Strategie sein würde, aber zumindest der Abstand ist nicht gegeben. Es ist kein großer Unterschied, ob der Spieler alle Symbole stehen lässt (was ja die intuitiv richtige Strategie ist), oder ob er hart auf die 1,50 spielt.

 

Tatsächlich ist sogar ein kleiner Nachteil mit dem Spiel auf die 1,50 verbunden. Die häufigere 20er-Serie gleicht die seltener gewordene 10er-Serie nicht völlig aus. Wer hier den Scheibentext gelesen hat und ganz schlau sein wollte, wurde also der Dumme.

Wenigstens hält sich der Nachteil in Grenzen. Aber er ist vorhanden. Dieser eine Prozentpunkt bei derart vielen simulierten Spielen ist aussagekräftig.

Es ist unbedingt empfehlenswert, an diesem Gerät nachzustarten. Schon die einfachste und naheliegendste Strategie verbesserte die Auszahlquote um 11 Prozentpunkte. Dafür kann die AQ durch dummes Nachstarten unter 60 Prozent gedrückt werden.

 

Schräges

 

Die Tatsache, dass über 4 Prozent der Spiele zu einem Geldgewinn von 3 DM in der Serie geführt haben, liegt darin begründet, dass auf lange Sicht fast jedes zwölfte Spiel ein Sonderspiel ist. Ein recht großer Anteil der Auszahlung wird durch Serien erreicht, die auch gar nicht so selten sind.

 

Die häufigen Serien sind auch der Grund dafür, dass 30 Pfennig in weniger als 10 Prozent der Spiele gewonnen werden — in der Serie werden daraus 3 DM.

 

Ein interessantes Detail ist es, dass beim Stehenlassen aller Symbole und beim Laufenlassen des Gerätes die 20er-Serie häufiger als die 10er-Serie ist.

 

Ein paar weitere Worte

 

Die Golden Bell dürfte eines der »schrägsten« Geräte sein, die jemals in Deutschland aufgestellt wurden. Es war ja nicht das erste Spielsystem mit einem Leitersystem, aber es war mit Sicherheit das erste Spielsystem, dessen eigentlicher Pfiff die Leiter war, wobei diese aber über ein »normal aussehendes« Symbol fortgeschaltet wurde. Die 1,50 DM auf den Scheiben unterscheidet sich ja in nichts von den anderen Beträgen, hat nicht einmal eine besondere farbliche Hervorhebung. Wie viele Spieler werden das wohl nicht auf Anhieb verstanden haben.

 

Wenn die 1,50 auf den Außenscheiben ebenfalls eine Glocke gewesen wäre, denn wäre die besondere Funktion besser deutlich geworden. Dafür hätten sich viele Spieler darüber gewundert, dass die drei Glocken nur ein ordinärer Geldgewinn sind, deshalb hat man bei Bell Fruit wohl auf diese nahe liegende Kennzeichnung verzichtet. Was man aber stattdessen getan hat, ist kryptisch. Alle Gewinne (mit Ausnahme des 30-Pfg.-Trostpreises) werden über drei gleiche Symbole gegeben, nur der Gewinn zu 1,50 DM hat ein davon abweichendes Gewinnbild, das gar nicht auf dem ersten Blick als Gewinnbild erkennbar ist. Die meisten Spieler lesen eben keine Scheibentexte, jedenfalls nicht besonders gründlich...

 

Diese Fehlentscheidung — man hätte die 1,50 DM auf den Außenscheiben mindestens farblich kennzeichnen sollen, vielleicht auch mit einer Glocke hinterlegen, um die besondere Funktion deutlicher zu machen — könnte einer der Gründe dafür sein, warum das doch attraktive Hochauszahler-System der Bell-Fruit-Geräte in Deutschland niemals so richtig angekommen ist.

 

Von daher würde ich mal für alle Designer von Spielsystemen sagen: Von Bell Fruit lernen heißt Versagen lernen. Spieler wünschen ein Spielsystem, das auch unmittelbar verständlich ist.

Eine weitere Fehlentscheidung dürfte der Verzicht auf eine damals moderne Großserie von mindestens 50 Spielen gewesen sein. Die Golden Bell zahlt zwar gut, aber eben nicht die ganz fetten Gewinne, die von den Geräten der anderen Hersteller als seltene Ereignisse angeboten wurden. Hätte man in diesem Spielsystem noch irgendwie eine 50er-Serie untergebracht (zum Beispiel wie beim Nova Bell durch jeweils eine Verlängerung auf 1, 6 und 11), denn hätte das Spiel noch attraktiver ausgesehen — dass diese fette Serie nur sehr selten kommt, wäre hier genau so wenig aufgefallen wie beim Mitbewerb von Wulff...

 

Elias

 

(Autoren: Sven Schreiber und Elias Schwerdtfeger)


Eintrag erstellt: 31 October 2017 21:36:55 |
Letzte Änderung: 13 October 2019 18:04:00 |
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