Dienstag, April 16, 2024
   
Text Size
Login

Prüfung der Auszahlungs- und Treffererwartungen von Glücksspielen nach statistischen Methoden

Um Glücksspielgeräte zu prüfen, werden statistische Methoden angewandt, wie sie in der Industrie zur Materialoder Qualitätsprüfung üblich sind. Dies sind Verfahren, die aus Einzelmessungen eine ausreichend genaue Schlußfolgerung auf die Gesamtmenge erlauben, so daß es möglich ist, aus einer großen Serie eine möglichst geringe Stückzahl zu prüfen und daraus eine möglichst genaue Aussage über die Gesamtserie zu erhalten.


Für unseren Fall heißt das, aus einer möglichst geringen Anzahl von Probespielen schließen zu können, ob ein Gerät die vorgegebenen Bedingungen erfüllt. Hierzu muß man wissen, mit welcher Streuung um den gewünschten Wert bei einer bestimmten Anzahl von Spielen zu rechnen ist und mit welcher Sicherheit eine bestimmte Streubreite angenommen werden kann; daraus ergibt sich, wieviele Probespiele mindestens erforderlich sind, um eine gültige Aussage zu erhalten.


So soll zunächst an Hand des Spiel- und Gewinnplanes eines Geldspielgerätes der Mittelwert der Auszahlungs und Trefferquote berechnet und das Ausmaß ihrer zufälligen Schwankungen um diesen Mittelwert bei einer endlichen Zahl von Spielen angegeben werden. Danach wird eine Versuchsreihe mittels einer statistischen Methode ausgewertet, und eine zweite Methode angegeben, die verwendet werden kann, um eine Serie von Geräten zu testen.


1. Mittelwert und Varianz einer Verteilung


Die Hypothese für das statistische Prüfverfahren ist, daß die einzelnen Gewinnklassen des Geldspie€gerätes in einer Wahrscheinlichkeitsverteilung auftreten, Mit Hilfe des statistischen Testes wird festgestellt, ob die aus einer Stichprobe erhaltenen Angaben mit dieser Hypothese übereinstimmen oder nicht. Die einzelnen Gewinnklassen stellen die Zufallsvariable (x,) dar, die nur diskrete Werte annehmen kann. Die möglichen Werte seien xE ....x k , wobei die Zufallsvariable x, (i = 0, 1, 2, .... k) die Wahrscheinlichkeit p (x i) haben soll.
Da sämtliche xi ein vollständiges System bilden, muß

1

sein. Mathematisch wird jede Wahrscheinlichkeitsverteilung durch ihre sogenannte Wahrscheinlichkeitsfunktion beschrieben. Dargestellt wird diese Funktion durch ein Stabdiagramm, bei dem auf der Abszisse die Merkmale und auf der Ordinate die Wahrscheinlichkeiten aufgetragen sind. Diese Darstellung gibt einen vollständigen Uberblick über alle EIgenschaften einer Verteilung.


Für unsere Untersuchung genügen gewisse Parameter der Wahrscheinlichkeitsfunktion, und zwar der Mittelwert y und die Varianz o=. Der Mittelwert einer Verteilung, durch ,u dargestellt, stellt die Summe aller einzelnen Erwartungswerte xi • p (x,) dar.

3

Es zeigt sich, daß der Mittelwert allein nicht ausreicht, um eine Verteilung hinreichend zu charakterisieren, denn es
sind ohne weiteres andere Verteilungen denkbar, die den gleichen Mittelwert besitzen. aber andere Eigenschaften aufweisen, z. B. eine andere Streuung der einzelnen Erwartungswerte um den Mittelwert. Das Maß für den Vergleich dieser Streuungen wird berechnet als die Summe der Quadrateder möglichen Abweichungen der Zufallsgröße x; von ihrem Mittelwert
y multipliziert mit ihrer Wahrscheinlichkeit p (x;). Man bezeichnet diese Größe als Varianz a2 der Verteilung.

4

Durch Umformung erhalt man aus (2) die für praktische Rechnungen zweckmäßige
Formel

5

Als statistisches Maß der Schwankung der Einzelwerte ist die mittlere quadratische Abweichung oder Standardabweichung eingeführt.

6

7

Ist der Umfang der Stichprobe einigermaßen groß (in unserer Untersuchung n etwa 100), dann nähert die Verteilung sich mit hinreichender Genauigkeit als Folge des zentralen Grenzwertsatzes, einer Gauß'schen Normalverteilung. In diesem Fall kann mit einer statistischen Sicherheit von 68,26% gesagt werden, daß die Meßwerte eine Standardabweichung ± a vom Mittelwert haben. In der Stichprobenforschung und auch auf anderen Gebieten der Wahrscheinlichkeitsrechnung ist es üblich geworden, mit einer statistischen Sicherheit von 99,73 °/° zu arbeiten. Mit dieser Sicherheit kann dann gesagt werden, daß die Meßwerte bis zu ± 3o um den Mittelwert streuen können. Die noch verbleibende Unsicherheit der Aussage von 0,27 °1° Ist so klein, daß sie in Kauf genommen werden kann. Die folgende Tabelle gibt für verschiedene Streubereiche k • a die statistische Sicherheit S einer Aussage an. S =
99.73% bedeutet, daß z. B. von 1000 Meßwerten rund 997 innerhalb des Streubereichs ± 3o liegen.

8

Im folgenden soll als Beispiel für ein
Geldspielgerät die Auszahlungs- und Treffererwartung und deren Standardabweichung bei n 1000 Spielen berechnet werden. Für die Berechnung der Auszahlungsquoten stellt x; die Anzahl der gewonnenen 0,10 DMStücke in der Klasse i dar, wobei i die Werte 0 bis 10 annimmt, da bei Geldspielgeräten höchstens 11 Gewinnklassen (0.70; 0.10 ... 1,- DM) auftreten. p (x;) ist die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten der Klasse i.


Bei der Berechnung der Treffererwartung nimmt x; in Formel (1) und (4) nur die beiden Werte 0 (Mißerfolg) und 1 (Erfolg) an. Die Berechnung geht am zweckmäßigsten nach dem folgenden Rechenschema vor sich.


Das Schema ist für die 3n-Grenze mit einer statistischen Sicherheit von 99,73 o/o angelegt. Als Streubereich ist der Wert ± 3e eingeführt. Zur Unterscheidung sind für die Auszahlungsquote Mittelwert und Standardabweichung mit Er, und o. bezeichnet, für die Treffererwartung mit Eine Ubersicht gibt das
folgende Rechenschema.


Die Tabelle gibt für Stichproben von n = 100 bis 1 000000 Spielen an dem gleichen Gerät den Streubereich für die Auszahlungsund Treffererwartung en, bei einer statistischen Sicherheit von 99,73 % (3o-Grenze).


Bisher zeigt die Untersuchung, daß die Standardabweichung abhängig ist von der Größe der Stichprobe, die mindestens so grol3 sein muß, daß sich die einzelnen Meßwerte in ihrer Häufigkeitsverteilung angenähert durch die Gauß' sche Normalverteilung darstellen lassen.


(Im Durchschnitt etwa 100 Sp.) Bei Geldspielgeräten spielt aber für die Standardabweichung auch eine Rolle, wieviel Gewinne auf die einzelnen Gewinnklassen verteilt sind. Die Auszahlung wird am stärksten um den Mittelwert streuen, wenn das Gerät nur wenige. jedoch hohe Gewinne ausgibt und am wenigsten, wenn viele, jedoch niedrige Gewinne ausgegeben werden. Die beiden folgenden Beispiele zeigen, mit welcher Streuung der Auszahlungserwartung zu rechnen ist. bei einem Kollektiv von 1000 Spielen und einer Auszahlung von 60 % und 85 %, wenn


a) nur kleine Gewinne (0,10 DM) u.
b) nur hohe Gewinne (1,- DM) ausgegeben werden.
/rt und at. Diese vier Werte sind in
Prozent angegeben.

9

10

11

12

Da aber bei allen Bauarten von Geldspielgeräten die Häufigkeiten der Gewinne in den einzelnen Gewinnklassen große Ähnlichkeit zeigen, ist allgemein bei 1000 Spielen unter Anwendung der 3n-Grenze im Mittel mit einer Streuung der Auszahlungserwartung von 14-16 o/a zu rechnen, die entsprechenden Streuungswerte für die Treffererwartung liegen bei etwa 4 %.


Experimentelle Untersuchungen Nachdem die zu erwartenden Streubreiten rechnerisch bestimmt waren, wurden zunächst an einem Geldspielgerät 300000 Probespiele automatisch ausgelöst und das Ergebnis der Auszahlung von jeweils 1000 Spielen von einer Registrieranlage aufgezeichnet.


In der Abbildung 1 ist das Ergebnis der ersten 40000 Spiele dargestellt.
Die Kreuze stellen die einzelnen Auszahlungen bei jeweils 1000 Spielen dar. Sämtliche Mel3werte befinden sich innerhalb der eingezeichneten 3a Grenze, die bei 58.6 % und 91,8 "/o liegt. Die Auszahlung bei der auf der Abszisse angegebenen Anzahl von Spielen drücken die durch Kreise dargesteiften Meßpunkte aus, die durch einen Kurvenzug verbunden sind. Am Anfang weicht die Kurve bisweilen recht merklich von der errechneten Auszahlungserwartung, die bei dem untersuchten Spielgerät bei 75,2 liegt, ab. Mit wachsender Anzahl der Versuche nähert sie sich dem errechneten Mittelwert. Der Streubereich (± 3a) um den Mittelwert wird durch die beiden eingezeichneten Hyperbeln dargestellt. Aus der Meßkurve ergibt sich, daß die gemessenen Werte innerhalb der 3a-Grenze liegen.


13

II. Chi-Quadrat-Test

Während bei der vorher beschriebenen Methode nur ein Streubereich für eine bestimmte Anzahl von Spielen angegeben werden konnte, sollen jetzt die Häufigkeitswerte der einzelnen Auszahlungen innerhalb dieses Bereiches festgelegt werden.
Der Chi-Quadrat-Test ist ein anderes, von K. Pearson eingeführtes Testverfahren, um festzustellen, ob die Gesamtheit der Unterschiede zwischen beobachteter und theoretischer Verteilung nur als zufällig oder als wesentlich anzusehen ist. Für unsere Untersuchung ist hierzu erforderlich, daß die einzelnen am Geldspielgerät gemessenen Auszahlungswerte klassiert und mit der theoretisch zu erwartenden Verteilung verglichen werden. Der Vergleich erfolgt über die Testgröße:

14

Die beobachteten Werte wurden aus 1000 Stichproben zu je n = 100 Spielen gewonnen. Die errechneten sowie die beobachteten Werte wurden zu Auszahlungsklassen zusammengefaßt*), die in der folgenden Tabelle eingetragen sind. Zur Beantwortung der Frage, ob die Unterschiede als zufällig oder als wesentlich anzusehen sind, wird der erhaltene Wert mit den


*) Voraussetzung der Anwendbarkeit der Chi-Quadrat-Methode ist, daß in keiner Klasse der theoretisch errechnete Wert der Besetzungszahl kleiner als 5 ist. Ist dies nicht der Fall, so müssen Klassen zusammengefaßt werden.

Tabellen der x'-Werte [1] verglichen.
Bei diesen Tafeln muß die Zahl der
-Freiheitsgrade" und die statistische Sicherheit der Aussage berücksichtigt werden. Unter ..Freiheitsgrade" ist die um eins verminderte Anzahl der Auszahlungsklassen zu verstehen.
Die gefundenen Werte für xP in den beiden Versuchsreihen liegen innerhalb der vorgeschriebenen Grenzen.
Dies bedeutet, daß die Unterschiede in den beiden Verteilungen zufällig bedingt sind. Die theoretische Wahrscheinlichkeitsverteilung stellt die wahre Verteilung dar, die sich bei unendlich vielen Stichproben zu je 100 Spielen ergeben würde. Sie ist in der Abbildung 2 als Treppenkurve dargestellt.
Die Werte für B beider Versuchsreihen sind als Stabdiagramme eingetragen. Die Abweichungen sind, wie der Vergleich mit der x=-Tabelle zeigt, zulässig.
Für große Werte von n lassen sich multinomiale Verteilungen nur mit großem Rechenaufwand bewältigen.
In diesem Fall ist es zweckmäßiger, die theoretische Verteilungskurve durch eine Normalverteilung mit demselben Erwartungswert und derselben Standardabweichung anzunähern. Wie diese Rechnung durchgeführt wird, ist in der Fachliteratur über Statistik z. B.
[2] enthalten. Auch diese Kurve ist in das Diagramm eingetragen. Der Vergleich der empirisch gefundenen Werte mit den theoretisch errechneten Werten der Normalverteilung zeigt eine gute Obereinstimmung.
Die beschriebenen statistischen Verfahren können außer zur Prüfung eines einzelnen Glücksspielgerätes auch dazu benutzt werden, die Gleichmäßigkeit der Fabrikation einer Serie von Spielgeräten zu überprüfen. Hierzu werden mit jedem Spielgerät automatisch 100 Spiele ausgelöst und die erzielten Auszahlungen und Treffer registriert. Die Meßwerte einer bestimmten Anzahl von Geräten. z. B.
1000 werden in der beschriebenen Art statistisch ausgewertet, um die Gleichmäßigkeit der einzelnen Spielgeräte zu überwachen.
Die Programmierung wurde von Herrn Dipl.-Phys. Neubert durchgeführt. An der sorgfältigen praktischen Durchführung der Arbeiten hat Herr Ing.
Marquardt wesentlichen Anteil. Beiden Herren sei für ihre Hilfe besonders gedankt.
Zusammenfassung Im ersten Teil der Arbeit werden Berechnungsunterlagen für die Prüfung von Glücksspielen gegeben und die Ergebnisse von Versuchsspielen auf Grund dieser Berechnungen ausgewertet.
Im zweiten Teil wird mit dem Chi-Quadrat-Test die Häufigkeit der beobachteten und der theoretischen Verteilung der Auszahlungsquote verglichen.

15

Abb. 2
Verteilung der Häufigkeiten der Auszahlungserwartung
bei je 100 Spielen

Literatur
[1] A. Linder: Statistische Methoden Birkhäuser Verl., Basel-Stuttgart 1960
[2] 1. Heinhold und K.-W. Gaede: Ingenieur Statistik R. qIdenbourg Verl., München-Wien 1964

Aus Automatenmarkt 9-1966

Cookies

Einloggen